Das Weihnachtsoratorium von Camille Saint-Saëns verstehen
Veröffentlicht amKomposition: 1858
Uraufführung: 24. Dezember 1858 in der Kirche La Madeleine in Paris unter der Leitung des Komponisten
Besetzung:
1 Harfe, 1 Orgel
Streicher
Chor
Solisten: Sopran, Mezzosopran, Alt, Tenor und Bariton
1857, wenige Monate nach der Uraufführung seiner Messe solennelle op. 4, wurde Saint-Saëns zum Organisten der Kirche La Madeleine ernannt. Die 1842 fertiggestellte Kirche verfügte über eine prächtige Cavaillé-Coll-Orgel. Dieses angesehene Amt in der reichsten Gemeinde von Paris sicherte ihm eine bedeutende Position im Pariser Musikleben.
Saint-Saëns schrieb sein Weihnachtsoratorium speziell für die Mitternachtsmesse 1858 in La Madeleine, wo es am 24. Dezember unter seiner Leitung uraufgeführt wurde.
Das Werk zeigt Einflüsse von Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium (BWV 248), das 1734 in Leipzig entstand. Während Bachs Oratorium sechs Teile umfasst, besteht Saint-Saëns' Werk aus zehn. Es basiert zwar ebenfalls auf Texten des Alten und Neuen Testaments, lehnt sich stilistisch jedoch weniger an den Barock an, sondern vielmehr an die musikalischen Fresken des frühen 19. Jahrhunderts, wie sie etwa Jean-François Le Sueur (1760–1837) prägte.
Das Weihnachtsoratorium von Saint-Saëns ist stilistisch vielfältig. Neben einer majestätischen und imperialen Note lässt sich eine Hommage an Beethoven erkennen. Der helle, pastorale Charakter des einleitenden Präludiums erinnert entfernt an die zweite Kantate von Bachs Weihnachtsoratorium. In anderen Teilen, wie Quare fremuerunt gentes, greift Saint-Saëns populäre Melodien seiner Zeit auf.
Das Werk ist sowohl von der biblischen Erzählung als auch von barocken und romantischen Elementen inspiriert. Es entfernt sich von einer rein religiösen Ausrichtung, ohne jedoch in die Nähe der Oper zu geraten, die oft die Kirchenmusik des 19. Jahrhunderts beeinflusste.
Mit Intelligenz und Sensibilität schuf Saint-Saëns, obwohl nicht gläubig, ein „hybrides“ Oratorium, das ein vielfältiges Publikum anspricht.